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Von Thomas Erven

Unfall beim Be- und Entladen – Tipps vom Anwalt

Welche Rechtsfolgen ergeben sich  bei einem Unfall beim Be- und Entladen? Betrachten wir folgenden Fall: Der Einkaufswagen auf dem Supermarktparkplatz verselbstständigt sich beim Beladen des Fahrzeugs und verursacht einen Lackschaden an einem anderen Fahrzeug.

Ist in solchen Fällen die Kfz-Haftpflichtversicherung oder doch die Privathaftpflichtversicherung einstandspflichtig? Problematisch wird dies für den Schädiger, wenn die Kfz-Haftpflichtversicherung nicht zahlen will und keine private Haftpflichtversicherung vorhanden ist.

Wir erläutern im Folgenden, wer beim Unfall beim Be- und Entladen von Kraftfahrzeugen und bei einem Unfall mit der geöffneten Fahrertür haftet.

Was heißt „beim Betrieb“?

Die Kfz-Haftpflichtversicherung kommt regelmäßig für Schäden auf, die „bei Betrieb“ eines Kraftfahrzeugs entstehen.

Ein klassischer Unfall beim Be- und Entladen: Der Einkaufswagen verursacht einen Lackschaden im Auto.
Ein klassischer Unfall beim Be- und Entladen: Der Einkaufswagen verursacht einen Lackschaden im Auto.

Der Betriebsbegriff stellt drauf ab, dass eine vom Kraftfahrzeug ausgehende Gefahr auf den Straßenverkehr einwirkt.

Befindet sich ein Fahrzeug zu Transport- oder Beförderungszwecken in Bewegung, ist es auch stets in Betrieb.

Doch selbst ein stehendes Kraftfahrzeug, dessen Motor nicht mehr läuft, kann sich in Betrieb befinden.

Dies setzt voraus, dass zwischen dem Kfz und dem schadensverursachenden Ereignis ein unmittelbarer, zeit- und ortsnaher Zusammenhang besteht.

Wird ein Unfall beim Betrieb verneint, scheidet die Kfz-Haftpflichtversicherung aus. Der Unfallverursacher muss sich dann an seine (hoffentlich vorhandene) Privathaftpflichtversicherung wenden.

Unfall beim Be- und Entladen

In einem aktuellen Fall ging es um die Entladung von Heizöl aus einem LKW. Ein undichter Schlauch sorgte für Ölverschmutzungen auf der Straße und am Haus des Klägers. Der Bundesgerichtshof hat in einem Urteil vom 08.12.2015 (Az.: VI ZR 139/15) das Schadensereignis dem Betrieb des LKW zugerechnet. Die Halterhaftung aus § 7 Abs. 1 Straßenverkehrsgesetz führte dazu, dass die KFZ-Haftpflichtversicherung des Heizöllastkraftwagens für den Schaden von ca. 72.000,00 € aufkommen musste.

Argumentiert wurde, dass sich der LKW im öffentlichen Straßenverkehr befand und der Schaden auch dort entstanden sei. Es handele sich um Gefahren, die von einem im Verkehr befindlichen Fahrzeug beim Entladevorgang ausgingen. Das Risiko, dass zufälligerweise auch das Privatgrundstück des Klägers beschädigt worden ist, soll gerade von der Kfz-Haftpflicht erfasst sein.

Problematisch gestalten sich auch die Fälle des Beladens. Typischerweise handelt es sich hier um die sogenannten „Einkaufswagen-Fälle“: Der Einkaufswagen rollt beim Beladen des Kofferraums davon und verursacht Schäden bei einem anderen Kfz.

Die Rechtsprechung ist in diesen Fällen nicht einheitlich. Überwiegend kommt es der Rechtsprechung darauf an, ob der Pkw zum Zwecke der Beladung bereits geöffnet war oder nicht. Das Beladen sei der Beginn des Transportvorgangs.

Beispielsweise bejahte das LG Aachen (Urteil vom 30.03.1990, Az.: 5 S 477/89) den Betrieb eines Kfz mit der Begründung, dass Kofferraum und Beifahrertür bereits geöffnet waren. Der Fahrer hatte Gegenstände aus dem Pkw in den Kofferraum umladen wollen, als der Einkaufswagen wegrollte.

Hingegen hielt das AG München (Urteil vom 05.02.2014; Az.: 343 C 28512/12) in einem Fall, bei dem der Fahrer eines PKW den Einkaufswagen neben seinem Kofferraum auf abschüssigem Gelände abstellte und dieser beim Befüllen ins Rollen geriet und ein anderes Fahrzeug beschädigte, nicht die KFZ-Haftpflichtversicherung für haftbar, sondern den Fahrer, der den Einkaufswagen ungesichert abgestellt hatte.

Das Wegrollen des Einkaufswagen habe nichts mit den typischen Gefahren des PKW zu tun, sondern seine Ursache im unsicheren Stand des Einkaufswagens gehabt.

Ein ähnlicher Unfall beim Be- und Entladen wird also von verschiedenen Gerichten unterschiedlich beurteilt.

Achtung! Sollte durch den wegrollenden Einkaufswagen ein parkendes Auto beschädigt worden sein, kann dies einen Verkehrsunfall darstellen: OLG Köln Beschluss vom 19.07.2011 (Az.: III RVs 138/11). Wer dann ohne zu warten wegfährt, macht sich wegen Fahrerflucht strafbar!

Unfall beim Aussteigen: Türöffnerfälle

Typisch sind auch die sogenannten "Türöffnerfälle". Der Fahrer öffnet die Tür in den Verkehrsraum oder das Kind wird auf dem Rücksitz bei in den Fahrraum geöffneter Autotür angeschnallt. Ein vorbeifahrender Autofahrer beschädigt die Tür.

Bei Unfällen mit der geöffneten Fahrertür spricht der Anscheinsbeweis zunächst gegen den Aussteigenden. Dem Aussteigenden wird dabei unterstellt, er habe beim Öffnen der Fahrertür seine Sorgfaltspflichten beim Aussteigen nicht ausreichend beachtet.

Nach § 14 StVO gelten besondere Sorgfaltspflichten beim Einsteigen und Aussteigen. Aus dieser Verhaltensregel ergibt sich der Anscheinsbeweis. Danach gilt: "Wird beim Ein- oder Aussteigen ein anderer Verkehrsteilnehmer geschädigt, spricht der Beweis des ersten Anscheins für eine fahrlässige Sorgfaltspflichtverletzung des Ein- bzw. Aussteigenden".

Der Anscheinsbeweis kann bei den Türöffnerfällen jedoch erschüttert werden. Die Rechtsprechung unterscheidet Fälle, in denen die Fahrertür beim Nähern eines anderen Fahrzeugs bereits länger offen stand oder erst dann geöffnet wurde. Gelingt dem Aussteigenden der Beweis, dass die Fahrertür schon längere Zeit offen stand, kann dadurch der Anscheinsbeweis wiederlegt werden

Oftmals nehmen Gerichte eine Haftungsverteilung von 50:50 ("Quote") vor, wenn der Nachweis gelingt, dass beide Seiten Sorgfaltspflichten missachtet haben. Einerseits muss der Aussteigende beim Öffnen der Tür vorsichtig sein. Andererseits muss auch mit ausreichendem Abstand an den parkenden Fahrzeugen vorbeigefahren werden. Ein Sicherheitsabstand eines vorbeifahrenden Fahrzeugs zu einem parkenden PKW muss in der Regel mindestens 50 cm betragen.

Die Haftungsquote richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls.

Tipp: Da meist auf der rechten Straßenseite geparkt wird, sollte der Kindersitz auf der Beifahrerseite platziert werden, damit die Tür nicht in den Fahrraum geöffnet werden muss.

Thomas Erven, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht in Köln

Bildquellennachweis: Africa Studio – fotolia.de 

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Artikel von Thomas Erven
Thomas Erven hat seinen Kanzleisitz in Köln. Er ist bundesweit tätig als Fachanwalt für Verkehrsrecht und spezialisiert auf Themen wie Bußgeld, Verkehrsstrafrecht und Unfälle.
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