Bußgeldkatalog 2020 Änderungen unwirksam? - Tipps vom Anwalt
Es gibt einige Änderungen im Bußgeldkatalog 2020.
Der neue aktuell geltende Bußgeldkatalog 2020 führt zu erheblich höheren Bußgeldern und viel schneller zu Punkten und dem gefürchteten Fahrverbot.
Der Grund: Am 27.04.2020 wurde die 54. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Normen im Bundesgesetzblatt veröffentlicht.
Doch ist diese überhaupt wirksam? Mögliche Fehler im Gesetzgebungsverfahren könnten den ganzen Bußgeldkatalog kippen und Fahrverbote ungültig werden lassen.
Was für Autofahrer hier wichtig ist und was Sie nun unbedingt tun sollten, erklären wir in diesem Artikel.
Inhalt:
FAQ
1. Neuer Bußgeldkatalog 2020 ab wann?
2. Bußgeldkatalog Geschwindigkeit 2020
3. Was gilt noch wichtiges Neues im Bußgeldkatalog 2020?
4. Bußgeldkatalog 2020 Änderungen und Fahrverbote unwirksam?
5. Was können Sie tun, wenn Ihnen eine Strafe nach dem neuen Bußgeldkatalog 2020 droht?
FAQ
1. Ab wann gilt der Bußgeldkatalog 2020?
Stichtag ist der 28.04.2020. Es kommt auf das Datum der vorgeworfenen Tat an. Doch wahrscheinlich ist der ganze Bußgeldkatalog wegen eines Zitierfehlers unwirksam!
2. Ab wann gilt nun ein Fahrverbot beim Geschwindigkeitsverstoß?
Außerorts ab 26 km/h zu schnell und innerorts ab 21 km/h zu schnell wird ein Fahrverbot verhängt. Dies könnte aber unwirksam sein! Lassen Sie dies unbedingt prüfen!
3. Was mache ich nach Erhalt eines Anhörungsbogens oder Bußgeldbescheids?
Lassen Sie die Erfolgsaussichten von einem Fachanwalt für Verkehrsrecht kostenlos vorprüfen.
1. Neuer Bußgeldkatalog 2020 ab wann?
Wir werden immer wieder gefragt, ab wann der neue Bußgeldkatalog mit den wesentlich härteren Sanktionen gilt. Die Erklärung ist einfach:
Stichtag für die Neuregelung ist der 28.04.2020. Das heißt für alle Verstöße ab 28.04.2020 gilt der neue Bußgeldkatalog 2020.
Hierbei ist zu beachten, dass in Deutschland für die Ahndung von Verstößen das Tattagprinzip gilt. Damit ist gemeint, dass das Recht am Tag des Verstoßes anzuwenden ist. Es kommt also für die Anwendung von neuem oder altem Bußgeldkatalog darauf an, wann zum Beispiel zu schnell gefahren wurde: vor dem 28.04.2020 oder danach?
Nicht entscheidend ist, wann der Anhörungsbogen oder der Bußgeldbescheid mit dem Vorwurf der Tat zugeht. Auch bei einer Gerichtsverhandlung nach dem 28.04.2020 gilt bei einem Verstoß vor dem 28.04.2020 trotzdem altes Recht.
Der neue Bußgeldkatalog gilt bei einer Tat ab dem 28.04.2020 allerdings auch völlig unabhängig davon, ob der Betroffene vom neuen Bußgeldkatalog wusste oder nicht.
Doch wegen eines Verstoßes gegen das sog. Zitiergebot könnte der Bußgeldkatalog nichtig sein (s.u.)
2. Bußgeldkatalog Geschwindigkeit 2020
Wir erklären Ihnen hier kompakt die Eckpunkte zu den gravierenden Verschärfungen im Bußgeldkatalog 2020 bei Geschwindigkeitsverstößen, die eklatante Auswirkungen für viele Autofahrer haben.
Bußgeldkatalog innerorts 2020
Ein Fahrverbot wird innerorts nunmehr schon ab 21 km/h zu schnell angeordnet. Zuvor war dies erst ab 31 km/h zu schnell der Fall. Schon 10 km/h Geschwindigkeit weniger als zuvor führen also jetzt schon zum Fahrverbot innerorts!
Bußgeldkatalog 2020 Autobahn
Noch viel stärker sind die Verschärfungen außerorts und auf der Autobahn.
Nunmehr droht schon ab 26 km/h zu schnell ein Fahrverbot! Dies war vorher erst ab 41 km/h zu schnell der Fall. Satte 15 km/h weniger als früher führen also nun schon außerorts zum Fahrverbot. Hiermit werden nun viele Autofahrer für die der Führerschein existentiell ist zu kämpfen haben.
3. Was gilt noch wichtiges Neues im Bußgeldkatalog 2020?
Blitzerapps und Radarwahner während der Autofahrt sind nunmehr strafbar!
Es droht ein Bußgeld von 75 € und ein Punkt in Flensburg bei der Nutzung von Blitzerapp und Radarwahner. Dies unabhängig davon, ob diese während der Fahrt auf dem Handy genutzt werden oder im Navigationssystem integriert sind. Oft fällt ein derartiger Verstoß bei einer Verkehrskontrolle auf. Eine Nutzung von Blitzerapp und Radarwahner vor der Fahrt ist allerdings straflos.
Hohe Strafen bei der Nichtbildung einer Rettungsgasse!
Wer keine Rettungsgasse bildet zahlt nun 200 € Bußgeld, bekommt 2 Punkte in Flensburg und 1 Monat Fahrverbot. Wer durch die Rettungsgasse fährt oder darin dem Rettungsfahrzeug folgt erhält sogar 240 € Bußgeld, 2 Punkte in Flensburg und einen Monat Fahrverbot.
Halten in zweiter Reihe wird teuer!
Wer kurz mal in zweiter Reihe anhält, um jemanden rauszulassen oder rasch mal auslädt zahlt nicht mehr 15 €, sondern jetzt 55 €. Bei einer Behinderung werden sogar 70 € und ein Punkt in Flensburg verhängt.
Parken auf Gehwegen kann zum Punkt führen!
Wer auf dem Geh- oder Radweg parkt oder auf dem Schutzstreifen anhält zahlt ebenfalls 55 € und bei Behinderung auch 70 € und bekommt einen Punkt.
Mindestabstand zu Radfahrern etc. wird größer!
Autofahrer müssen nun beim Überholen von Radfahrern, E-Scootern und Fußgängern einen Mindestabstand außerorts von mindestens 2 Metern und innerorts 1 Meter einhalten.
LKWs und Busse müssen nun mit Schrittgeschwindigkeit abbiegen!
Fahrzeuge über 3,5 Tonnen dürfen auf Straßen, wo mit Radverkehr oder Fußgängerverkehr gerechnet werden muss, nur noch in Schrittgeschwindigkeit (7-11 km/h) abbiegen. Ansonsten werden 70 € und ein Punkt in Flensburg fällig.
4. Bußgeldkatalog 2020 Änderungen und Fahrverbote unwirksam?
Die Reform des Bußgeldkatalogs mit den weitreichenden Wirkungen für Autofahrer (insbesondere Fahrverbote nun schon ab 21 km/ h bzw. 26 km/h zu schnell) könnte unwirksam sein. Dies ergibt sich aus einem möglichen Verstoß gegen das sog. Zitiergebot des Grundgesetzes bei der Änderung der StVO. Das Zitiergebot verlangt zwingend, dass in der ändernden Verordnung die dem Erlass zugrunde liegende Ermächtigungsgrundlage genannt wird. Dies ist allerdings nur unvollständig geschehen. In der 54. Änderungsverordnung des StVO-Novelle 2020 wurde in der Eingangsformel 3. Spiegelstrich der für die Neueinführung von Regelfahrverboten relevante § 26 a Abs. 1 Nr. 3 StVG nicht genannt. Das Bundesverfassungsgericht ist bei einem Verstoß gegen das Zitiergebot rigoros und hat bereits 1999 in der sog. Legehennenentscheidung die dortige gesamte Verordnung wegen eines Verstoßes gegen das Zitiergebot für nichtig erklärt. Auch das Bundesverkehrsministerium hat hierbei schon äußerst unangenehme Erfahrungen gemacht. Bei der sog. Schilderwaldvovelle war ebenfalls gegen das Zitiergebot verstoßen worden und die komplette Verordnung wegen des Formfehlers durch den damaligen Bundesverkehrsminister Ramsauer kassiert worden.
Deshalb dürften zumindest die neu eingeführten Fahrverbote innerorts bei 21-30 km/h und außerorts bei 26-40 km/h zu schnell nichtig sein! Dies gilt auch für die anderen neu eingeführten Fahrverbote (zum Beispiel bei Nichtbilden der Rettungsgasse). Aufgrund der vorgenannten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Zitiergebot ist sogar von noch weiteren Auswirkungen auszugehen: der Nichtigkeit der gesamten Änderung der StVO und damit des Bußgeldkatalogs! Damit müsste der alte Bußgeldkatalog wieder gelten.
Insofern soll Bundesverkehrsminister Scheuer bereits die Bundesländer angewiesen haben ab sofort wieder den alten Bußgeldkatalog anzuwenden.
Interessant dürfte werden, wie nun dauerhaft weiter verfahren wird. Für eine Änderung des alten Bußgeldkatalogs müsste die Verordnung vollständig neu erlassen werden und erneut der Bundesrat zustimmen. Da der Bundesverkehrsminister verkündet hat die neuen Fahrverbote für unverhältnismäßig zu halten, hierüber aber in einigen Bundesländern andere Auffassungen bestehen, wird es weitere Diskussionen mit offenem Ende geben.
Jedenfalls scheint auch aus unserer Sicht das Augenmaß des alten Bußgeldkatalogs verloren gegangen zu sein:
Warum im neuen Bußgeldkatalog zum Beispiel innerorts 15 km/h zu schnell als leichter Verstoß mit 50 € Bußgeld geahndet werden und bei 21 km/h zu schnell (also lediglich 6 km/h) mehr dies direkt als grober Verstoß mit 80 €, einem Punkt und einem Monat Fahrverbot bestraft wird, ist nicht nachvollziehbar.
Nunmehr ist aber sogar fraglich, ob auch die bei einer Unwirksamkeit der StVO-Novelle von 2020 geltende vorherige Verordnung zur Neufassung der Straßenverkehrs-Ordnung vom 06. März 2013 ebenfalls wegen eines Verstoßes gegen das Zitiergebot unwirksam ist. Grund ist Folgender: in dem als Rechtsgrundlage genannten § 6 Abs. 1 StVG werden lediglich die Nummer 3 Buchstabe c sowie f bis i StVG und e § 6 Abs. 1 Nummer 3 Buchstabe d und e genannt und nicht auch § 6 Abs. 1 Nr. 3 erster Satzteil StVG. In diesem Satzteil ist aber gerade die allgemeine Ermächtigung zur Erhaltung der Sicherheit und Ordnung auf den öffentlichen Straßen enthalten auf der viele Regelungen (auch Tempobeschränkungen) beruhen. Insofern ist auch nicht ohne weiteres davon auszugehen, dass der erste Satzteil bei dieser Zitierweise mit umfasst ist: Nie wurde bis dato in den StVO-Novellen nur die Nummer 3 mit der Benennung der einzelnen Buchstaben zitiert, wenn auch auf die auf die Generalklausel im ersten Satzteil Bezug genommen werden sollte. Stets wurde dann ausdrücklich der erste Satzteil zitiert ("§ 6 Abs. 1 Nr. 3 erster Halbsatz"; so auch in der StVO-Novelle 2020).
Dies führt zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit, denn falls in den vorhergehenden StVO-Novellen wiederum das Zitiergebot missachtet worden ist, würde man letztlich auf die Rechtslage zurückfallen, die bis zum 31.08.2009 galt! Zwar wären auch insbesondere Geschwindigkeitsverstöße weiter zu ahnden; einige andere Verkehrsverstöße wurden jedoch geändert und nicht mehr zu bestrafen.
Insofern würde nur ein Neuerlass der Straßenverkehrsordnung mit richtiger Anwendung des Zitiergebots zu Rechtsklarheit führen. Dies ist bis dato aber nicht geschehen.
5. Was können Sie tun, wenn Ihnen eine Strafe nach dem neuen Bußgeldkatalog 2020 droht?
Schauen Sie insbesondere auch wegen der aktuellen Probleme mit dem neuen Bußgeldkatalog genau hin, wenn Ihnen ein Verstoß Tatzeit ab dem 28.04.2020 vorgeworfen wird. Beauftragen Sie sofort, wenn Sie einen Anhörungsbogen oder Bußgeldbescheid erhalten haben einen Fachanwalt für Verkehrsrecht. Schon aus formalen Gründen dürften wegen des Verstoßes gegen das Zitiergebot die neu eingeführten Fahrverbote im neuen Bußgeldkatalog ungültig sein. Bei bereits rechtskräftigen Bußgeldbescheiden mit Fahrverbot, welche noch nicht angetreten wurden, sollte bei der Bußgeldstelle ein Vollstreckungsaufschub bewirkt werden. Falls ein Fahrverbot bereits angetreten wurde, kann in einem Gnadenverfahren die Aufhebung der Entscheidung und die Herausgabe des Führerscheins verlangt werden.
Unser Expertenteam prüft gerne Ihren Fall. Als Fachanwälte für Verkehrsrecht haben wir langjährige Erfahrung durch zahlreiche erfolgreich gestaltete Verfahren. Rechtsanwalt Erven und sein Team verteidigt bundesweit. Wir helfen Ihnen gerne weiter. Rufen Sie uns an unter 0221 301 403 44 oder schreiben Sie uns eine Mail an erven@kanzlei-erven.de. Die Erstberatung ist kostenlos.
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Thomas Erven, Fachanwalt für Verkehrsrecht in Köln
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